Todesbegeisterung

Ich bin sicher, dass Du schon mal gehört hast, dass Gothics vom Tod fasziniert, darauf fixiert, davon besessen seien. Ich persönlich fürchte mich vor dem Tod zu Tode. Ich werde damit umgehen müssen, wenn es so weit ist, im Moment habe ich mich um mein Leben zu kümmern.

Als Prinzessin Diana starb, war ihr Tod allgegenwärtig. Es waren Fotografen am Ort des Unfalls, die Bilder von ihrem sterbenden Körper machten. Diese Bilder wurden für über eine Million Dollar verkauft. Ich hätte gehofft, dass die Presse (auch die Boulevardpresse) genug guten Geschmack haben würde, diese Bilder nicht zu drucken, und dass die Menschlichkeit der Redakteure dagegen revoltieren würde es zu tun. Die Bilder wurden in Deutschland veröffentlicht. Ich war schockiert über die Berichterstattung über ihren Tod. Und ich war angewidert vom schlechten Zustand der Menschlichkeit, die sie ans Tageslicht beförderte. Der nie versiegende Hunger nach Müll, Tratsch und den intimsten Details aus dem Leben von Berühmtheiten hat eine Multimillionen-Dollar-Industrie für die Boulevardmedien entstehen lassen. Dieser Hunger war es auch, der geholfen hat, den Tod einer der weltweit verehrtesten Personen zu verursachen. Ironischerweise war Diana vor dem tödlichen Unfall auf der Flucht vor Paparazzis, die wohl aufdringlichste Gattung von Medienvertretern.
Wenigstens jetzt wo sie tot ist, haben alle nur Gutes über sie zu berichten...

Unsere Gesellschaft sieht ihre Idole lieber in Entertainern und Leistungssportlern, als in Lehrern, Philosophen, Wissenschaftlern oder Staatsmännern. Manche Leute, deren eigenes Leben nicht interessant genug ist, leben ihr Leben gewissermaßen "durch" diese "Stars"; Auf eine voyeuristische, erbärmliche und passive Art und Weise. Über jeden Fehler wird vor der Welt "zu Gericht gesessen". Die Leute scheinen es zu lieben, wenn sie hören, welch schlimme Dinge anderen passieren, speziell wenn es Leute trifft, denen es besser zu gehen scheint, als ihnen selbst. So etwas zu Lesen erlaubt ihnen, sich diesen scheinbar perfekten Berühmtheiten überlegen zu fühlen. Sie fühlen sich dadurch besser.

Hast du schon einmal eine dieser Reality-TV-Sendungen gesehen, wo Flugzeuge abstürzen, Stunts schiefgehen usw.? Die schlimmsten Schiessereien der Welt, wenn Naturkatastrophen zuschlagen, wenn wilde Tiere angreifen? Die Sender machen diese Sendungen nur, weil es offensichtlich beliebt ist herumzusitzen und zu sehen, wie andere Leute verletzt oder getötet werden. Wahrscheinlich würden die Verantwortlichen der Sender sagen: "Wenn sie es nicht mögen - schauen sie es nicht an". Ich befürworte das Recht, solche Sachen zu senden, aber es bedrückt mich, dass man sich tatsächlich entscheidet es zu tun. Man merkt scheinbar gar nicht mehr, welch schreckliche Dinge die Leute heutzutage unterhaltsam finden. Sie haben das unbestreitbare Recht sich davon unterhalten zu lassen, aber deswegen ist es noch lange nicht richtig.

Ich kann nicht glauben, dass Gothics sich stärker zum Tod hingezogen fühlen, als ganz normale Leute, die sich das oben Genannte ansehen oder durchlesen. Wieso aber ist dieses Gerücht über die Gothics so verbreitet? Vielleicht weil man sich so diesen geistesgestörten, degenerierten Gothics moralisch überlegen fühle kann. Die Wahrheit ist, dass alle Menschen sich für den Tod interessieren, genauso auch Gothics. Der Tod - in der Literatur, im Leben, in der Religion war er schon oft die einzige treibende Kraft hinter vielen Anstrengungen der Menschheit. Gothics tendieren dazu, ihre Gefühle zum Tod offener darzustellen, als der Rest der Welt. Für manche ist das ein Annehmen des Unvermeidlichen und bringt sie dazu, ihr Leben voll auszukosten - Tag für Tag. Bevor man mit dem Finger auf Gothics zeigt und sie wegen ihrer angeblichen Todesobsession als krank oder gestört bezeichnet, sollte man vielleicht einmal nachzählen, wie oft man in den Nachrichten vom Tod hört, wie oft man täglich selbst daran denkt, wie viele Leute man in Filmen sterben sieht, und wie oft man darüber nachdenkt, was nach dem Tod geschieht. Möglicherweise sieht man dann etwas klarer.